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STOSSTRUPPTAGUNG NACH DR.GRANDEL 1963

Lebensreform - gestern, heute, morgen // Zum Eiweißproblem
Dr. med. Karl Windstosser, Bad Wiessee

Lebensreform - gestern, heute, morgen

Die heutigen Zivilisationsschäden entstanden im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte durch willkürliche Veränderung der Natur. Wir betonen den technischen Fortschritt, doch auch dieser Fortschritt mußte durch eine Unterdrückung der Natur erkauft werden. So liegt darin eine Tragik, die wir durch Betonung des Geistigen und Natürlichen wieder ausgleichen müssen. Der Beginn des technischen Zeitalters um das 19. Jahrhundert fand als Gegenströmung die Naturphilosophie; wir gewannen Erkenntnisse, auf denen die Psychologie und Psychotherapie des 20. Jahrhunderts aufbaute.

Den Pionieren der Naturheilkunde und Lebensreform begegnete zu ihrer Zeit allerdings weit größerer Unverstand als uns heute. Heute stehen wir auf einem relativ gesicherten Boden der Lebensreform; es wird aber niemals ein fester Boden sein, sondern eine stete Bewegung, eine ständige Rettungsaktion für unsere Mitmenschen.

Die Jetztzeit bringt eine Fülle von Problemen. So sehen wir uns den Auswirkungen atomarer Schäden entgegen, die spätere Generationen betreffen können. An der Spitze dieser Probleme steht die Gesunderhaltung des Bodens und Wassers; hier beginnt bereits die Gefährdung der menschlichen, tierischen und pflanzlichen Gesundheit. Eine Ernährung, die den Prinzipien von der Ordnung und Ganzheit im Sinne Bircher-Benners nicht entspricht, kann auch den
menschlichen Organismus nicht gesund erhalten.

Zunehmende Verweichlichung, Genuß- und Arzneimittelmißbrauch auf der einen Seite, steigende Hetze und Überbelastung auf der anderen Seite - das sind die häufigsten Ursachen von Gesundheitsschäden. Die "Gesundheitsverteidigung" müßte zumindest denselben Raum einnehmen wie eine militärische Verteidigung. Sonst kann uns eines Tages der Osten in biologischer und gesundheitlicher Hinsicht überlegen sein. Waren wir bisher stolz auf die zunehmende Lebenserwartung, so finden wir heute bei Männern jenseits der 50 bereits einen rückläufigen Abstieg. Dennoch dürfen wir niemals resignieren. Die Natur duldet keine Ratlosigkeit und kein Zurück, nur ein mutiges das in der Verantwortung eines jeden liegt.

Zum Eiweißproblem

In den letzten 50 Jahren fand die Eiweiß- und damit verbunden die Fleischfrage in der Ernährungslehre besondere Beachtung. Bircher-Benner widmete nahezu sein ganzes Leben der Erforschung der Eiweißfrage. Wir verdanken ihm sogar die Lösung des Problems des Eiweißoptimums und -minimums. Nach vielfachen Versuchen fand er, daß für den Erwachsenen höchstens 1 g Eiweiß pro Tag und kg Körpergewicht zuträglich ist. Allerdings kann man dieses Optimum bei einer sonst sehr hochwertigen Kost auch gefahrlos unterschreiten bis zu 0,5 g/kg Körpergewicht. Bircher-Benner ging bei sich selbst und seinen Kranken auf 0,8 bis 0,7 g und lange 0,5 g zurück, das sind also für einen mittelkräftigen Erwachsenen 35-40 g Eiweiß täglich. Auf ähnliche Zahlen wie Bircher-Benner kam Hofrat Röse, ein Zeitgenosse Ragnar Bergs, der sich ebenfalls jahrzehntelang mit der Eiweißfrage beschäftigte.

Wesentlich ist allerdings, daß bei einer solchen Unterschreitung des Eiweißoptimums die Nahrung sonst sehr vollwertig sein muß. Bircher-Benner formuliert diese Forderung in seinem "Gesetz von der spezifisch-dynamischen Wirkung des Eiweißes".- Der Eiweißbedarf ist umso geringer, je vollwertiger an Vitaminen und Mineralsalzen die übrige Nahrung ist. Er wird umso größer als biologisch unvollkommener die Nahrungszusammensetzung ist. Das Eiweiß selbst soll hochwertig und voll verwertbar sein. Das Eiweißquantum ist also nur festzulegen unter Berücksichtigung der sonstigen Ernährungsgewohnheiten und -qualitäten.

Die Überschreitung des Eiweißoptiniums führt schneller zu gesundheitlichen Stöhrungen bzw. latenten Krarkheitszuständen als eine vorübergehende Unterschreitung. Der menschliche Organismus kann das Eiweiß schließ1ich nicht speichern; es liefert nur die Bausteine für den Körper und ist kein Betriebsstoff im Gegensatz zu den Kohlehydraten und Fetten. Das Kind braucht noch Eiweiß zum Körperaufbau, weshalb auch die Nahrung des Säuglings (Muttermilch) von Natur aus eiweißreicher ist. Der Erwachsene benötigt das Eiweiß nur als Ersatz für zugrunde gegangene Zellen und als Baustein für Fermente und Hormone. Er könnte es noch verwerten, indem er körperlich stark arbeitet und seine Muskulatur damit verstärkt. Doch schwere körperliche Arbeit leisten schließlich nur die wenigsten von uns.

Der Körper kann überschüssiges Eiweiß nicht speichern. Was geschieht dann bei "Eiweißüberfütterung"? Das Eiweiß geht zunächst im Darm in Fäulnis über. Im Darm verbreiten sich Fäulnisbakterien und drängen die gesunde Darmflora zurück. Im Körper zerfällt das Eiweiß in Aminosäuren. Daneben entsteht bzw. lagert sich Harnsäure ab. Die Aminosäuren machen sich im Blut und Gewebe bemerkbar. Besonders mit zunehmendem Alter wird das Gewebe schon von Natur aus saurer und das Blut alkalischer. Eiweißüber-fütterung begünstigt diesen Vorgang. Um die Übersteuerung im Gewebe durch die Eiweiß-bestandteile zu neutralisieren (aus dem im Eiweiß enthaltenen Schwefel und Phosphor entstehen im Körper durch Oxydation Schwefel- und Phosphorsäure), baut der Organismus sein eigenes Eiweiß wieder ab. Es kommt zu einer perversen Reaktion: Der Körper bildet aus seinem arteigenem Eiweiß Ammoniak, um die im Uberschuß vorhandenen Aminosiuren zu neutralisieren. Fehlt es an der nötigen Alkalireserve, so setzt sich dieser Eiweißabbau unent-wegt fort, und jeder Fleischesser leidet schließlich an Alkelireserven. Denn es fehlt ihm an alkalisierendem Gemüse und Obst. Infolgedessen wird mit zunehmendor Fleischkost der Körpereiweißverbrauch immer größer. Das ist eine Kette ohne Endc. Davon kommt beim Fleischesser der Eiweißhunger, weil er in diesem circulus vitiosus steht. Ein Übermaß an Fleischnahrung bringt also nicht nur die Gefahr, Krankheiten zu begünstigen, sondern es kann gewissermaßen auch zu einer Art Süchtigkeit führen. 

Darüber hinaus ist besonders erwähnenswert, daß die Übersäuerung (Acidose) im Gewebe, verbunden mit einer Harnsäureablagerung zu Gicht führt. Andererseits ist bei einer Alkalose die Disposition zur Krebsentstehung erhöht. Dieser pathogenen Ursache können und müssen wir Herr worden durch eine denkbare Einschränkung der Stoffwechselvorgänge. Bildlich gesprochen, ist die „Flamme" im Körper bei der Oxydation, der Verbrennung der Nahrung, klein zu halten, und zwar so weit, daß durch ein Minimum die "Körperflamme" aufrecht erhalten wird und wir dabei aber zugleich auch zu körperlicher Arbeit befähigt sind. Zur Vollwertigkeit der Nahrung ist zu sagen, daß sie umso biologisch hochwertiger ist, je frischer die Lebensmittel sind. Beim Kochen soll durch die Gerinnung des Eiweißes die Verdauung erleichtert worden. Das ist zunächst richtig. Das Kochen des Eiweißes ist eine Vorwegnahme eines Verdauungsprozesses. Die Magensäure würde auch das Eiweiß zum Gerinnen bringen. Aber wir wollen ja die Ernährungs- und Stoffwechselfähigkeiten des Körpers trainieren und beschäftigen. Wir dürfen dem Körper deshalb nicht alles abnehmen und erleichtern. Durchs Kochen werden auch die Fermente, die auf natürlichem Weg die Nahrung abbauen sollen zerstört. Wir wissen es vom Zucker, daß die erleichterte Resorption und Verdaulichkeit durch erhebliche Gesundheitsschäden erkauft werden müssen. Das Kochen - nicht nur von Fleisch, sondern auch von Eiern und vor allem von Milch - ist also letztlich eine Denaturierung und Wertminderung.


Ist Vegetarismus pathogen? 

Vegetarische Kost gilt unter ihren Verfechtern als besonders gesundheitsfördernd. Was sagt die moderne Wissenschaft dazu? Kennt man Krankheiten, die speziell bei Vegetariern häufiger zu finden sind? Vor allem: Wie steht es mit der Krebshäufigkeit? Gibt es Anhalts-punkte dafür, daß Vegetarier von Karzinomen eher verschont bleiben?

Die Fragen, ob vegetarische Ernährung der Gesundheit zu- oder abträglich ist; welche Argumente die Wissenschaft für oder gegen sie gufzuweisen hat; welche Erkrankungen bei Vegetariern häufiger auftreten; welchen Einfluss eine solche Ernährung insbesondere auf die Krebshäufigkeit hat, sind im wesentlichen beantwortet durch das Wissensgut, das uns eine Generation von doktrinfreien Forschern des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat, unter denen zu nennen sind BIRCHER-BENNER in der Schweiz, HINDEHEDE in Dänemark, PECKHAM und GRAHAM in England, CHITTENDEN, POTTENGER und McCOLLUM in Amerika, KATASE in Japan, KOLLATH in Deutschland. Übereinstimmend treten als Kernpunkte dieser Lehren hervor:

  1. Nur eine rohkostreicheg laktovegetabile Ernährung kann als adäquate, vollwertige Dauerkost des Menschen bezeichnet werden. Sie ist gesundheitlich, ökonomisch und ethisch jeder anderen Kostform überlegen.
  2. Ein hoher Prozentsatz der sogenannten Zivilisations- und Aufbrauchskrankheiten ist durch Fehlernährung (Mesothrophie nach KOLLATH), insbesondere durch Eiweissüberfütterung bei gleichzeitigem Vitalstoffmangelg verursacht.
  3. Nur die unvoreingenommene und konsequente Durchführung einer solchen Vollwertkost über 1 - 2 Jahre verschafft die Erkenntnis deren Vorteile. "Wissenschaftliche“ Einwände sind zumeist affektbetont oder nur von theoretischer Bedeutung.
  4. Der oft gehörte Vorwurf weltanschaulicher Eigenbrötelei, den Fanatismus oder der Sektiererei ist kein Argument gegen den Vegetarismus.
  5. Lebende Beweise sind Tausende von Personen, die bei dieser Ernährungsweise gesund und leistungsfähig wurden und bleiben, desgleichen ganze Völker, bei denen sich der Vegetarigmus seit Jahrhunderten aus religiösen Gründen erhalten hat. Bei so lebenden Völkern auftretende Krankheiten sind meist durch anderweitige Fehler in der Ernährung, durch Hunger, durch einseitige Mangelkost bedingt, nicht etwa durch den Vegetarismus als solchen. Geschwulstleiden treten bei diesen Völkern relativ selten auf, wozu freilich eine Reihe weiterer Lebensbedingungen und Umweltfaktoren beitragen mag,
  6. Der Krebs insbesondere hat eine so vielschichtige Genese, dass er nicht mit einer wie immer gearteten Ernährung in Zusammenhang gebracht werden kann. Insofern können auch einseitig, also unrichtig vegetarisch lebende Menschen eine Krebemorbidität aufweisen, die sich von der bei "gut bürgerlich" ernährten Menschen beobachteten nicht unterscheidet. Während einer Tumorbehandlung ist allerdings eine umso vollwertigere Heilkost laktovegetabiler Richtung erforderlich und bewährt (ZABEL).
  7. Von einem vermehrten Auftreten bestimmter Krankheiten oder Leiden bei Vegetariern, insbesondere von Krebs, kann unter den erwähnten Voraussetzungen keine Rede sein. Unter Vegetarismus ist allerdings nicht nur die Abstinenz von Fleisch unter Beibehaltung ander-weitiger Ernährungsfehler oder Unsitten zu verstehen, sondern eine Kostform, die hinsichtlich Qualität, Quantität, Zubereitung und Zusammensetzung der Speisen den Gesetzen der Ordnung und Totalität entspricht (BIRCHER-BENNER).
  8. Die immer wieder vertretene Lehrmeinung, eine laktovegetabile Kost enthalte nicht alle lebenserhaltenden, essentiellen Aminosäuren, sollte endlich der Vergangenheit angehören. Selbst bei der strengsten Form des Vegetarismus, dem Veganismus (keine Milch, keine Butter, kein Ei, kein Honig) kann der Eiweissbedarf durch Nüsse, Mandeln, Sojaprodukte, Hülsenfrüchte etc. immer noch ausreichend gedeckt werden. Es sei daran erinnert, daß die entwicklungsgeschichtlich, anatomisch und physiologisch dem Menschen am nächsten stehenden Affen ebenfalls fast ausschliesslich Nüsse- und Früchteesser sind.
  9. Das Schwergewicht der gestellten Frage hat sich gemäß unserer heutigen Erkenntnisse von der Alternative "Fleisch oder kein Fleisch?" in Richtung "Vollwert- oder Mangelkost?" verschoben. Fleisch ist und bleibt Mangelkost (KOLLATH). Es war historisch gesehen immer Zukost, nie Hauptkost. Niemand kann vorwiegend oder gar ausschliesslich davon leben, nicht einmal das Raubtier! Von einer natürlich gewonnenen und vollwertig erhaltenen, vorwiegend oder ausschliesslich pflanzlichen Kost kann der Mensch unter allen Umständen leben. Er wird durch sie gesünder, ausdauernder und älter. Ihre Wirkung steigert sich noch in den folgenden Generationen, sofern sich diese ebenso ernähren.

Das Thema Vegetarismus wurde in SELECTA 46/1967 bis 1/1968 schon einmal ausführlich behandelt durch Dr. Robert GOEPEL, 624 Königstein, Frankfurter Str. 24.

Dr. med. K. Windstosser, 4902 Bad Salzuflen.

 

 


NEU: www.windstosser-museum.info

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